Von Ralf Keuper

Als das World Economic Forum (WEF) im Jahr 2011 den Bericht Personal Data: The Emergence of a New Asset Class publizierte, rückten Fragen der Verwertung der Daten, und hier insbesondere der personenbezogenen Daten der Nutzer/Verbraucher, mit einem Schlag in den Blickpunkt des öffentlichen Interesses. Seitdem sind die Personal Data Economy oder die Datenökonomie feste Begriffe, wenn es darum geht, den Wandel von der Industriegesellschaft zur Informationsgesellschaft zu erläutern. Anders als in den Zeitaltern zuvor, als einzig Boden, Arbeit und Kapital wertschöpfende Eigenschaften zugeschrieben wurden, können Daten zum Aufbau neuer Geschäftsfelder, ja ganzer Industrien verwendet werden. Pioniere auf diesem Gebiet sind Internetkonzerne wie Google und facebook, deren Geschäftsmodell im Grunde auf nichts auf anderem beruht, als darauf, Daten zu sammeln und zu klassifizieren, um sie im Anschluss an Unternehmen zu veräußern, die daraus Rückschlüsse auf die Bedürfnisse ihrer Kunden ziehen können.

Wie lukrativ der Markt für die Verwertung der personenbezogenen Daten inzwischen ist, veranschaulichte die London School of Economics (LSE) in The economic value of personal data for online platforms, firms and consumers.

Unterdessen regt sich von vielen Seiten Widerstand gegen das derzeit dominierende Verwertungsmodell in der Datenökonomie. Das Geschäft verlaufe einseitig, so die Kritiker, die Nutzer, als Produzenten und/oder Eigentümer der Daten, würden an den Erlösen nicht bzw. nicht angemessen beteiligt. Weiterhin bestehe die Gefahr, dass die Nutzer im Internet gezielt ausgespäht werden, indem ihre Datenspuren zu einen Profil zusammengesetzt werden, das nicht nur Rückschlüsse auf das Kaufverhalten zulasse, sondern auch für Überwachungszwecke verwendet werden kann.

Den großen Internetkonzerne und digitalen Plattformen wie Apple, Google, Amazon, facebook, Alibaba, Samsung, Microsoft, Tencent & Co. kommt ein – im Nachhinein betrachtet – Konstruktionsfehler des Internets zugute: Es fehlt ein Identity Layer.  Folge davon ist u.a., dass die Nutzer sich bei jedem Dienst, den sie im Internet nutzen, anmelden und die Passwörter verwalten müssen. Im Jahr 2005 machte sich Kim Cameron, Architect of Identiy, bei Microsoft in The Laws of Identity einige Gedanken dazu, wie sich das Dilemma der verteilten Identitäten der Nutzer im Netz beheben lässt. Eine Lösung, wie sie Cameron vorschwebte, fehlt bis heute.

Startups, die momentan unter den Begriffen Personal Data Stores oder Personal Information Management Systems (PIMS) zusammengefasst werden, wie Digi.me, werben damit, den Nutzern die Hoheit über ihre Daten zurück zu geben. Auf der anderen Seite haben Regierungen, wie in Estland, mit der Lancierung einer für alle Bürger geltenden Digitalen Identität die Initiative ergriffen. Branchenbeobachter gehen für die Zukunft davon aus, dass neben den Staaten auch private Unternehmen als Anbieter Digitaler Identitäten am Markt auftreten werden. Große Chancen werden dabei, neben den bereits erwähnten Internetkonzernen, den Banken und Telekommunikationsunternehmen eingeräumt.

Derweil tritt immer deutlicher zutage, dass sich die Datenökonomie keinesfalls nur auf die personenbezogenen Daten beschränkt. Von nicht geringerer Bedeutung sind die Daten, die von Maschinen produziert werden. Ebenso wie im Bereich der personenbezogenen Daten stellt sich auch hier die Frage, wer über die Daten verfügen kann. In der Industrie macht sich die Sorge breit, die Hoheit über die Daten an die großen Internetkonzerne und Datensammler zu verlieren. Vor allem kleine und mittelständische Betriebe fühlen sich benachteiligt, weshalb sie in einem aktuellen Positionspapier u.a. fordern, dass die Hersteller datenproduzierender Maschinen ein Recht auf die Nutzung der Daten bekommen sollen.

Insofern sind von der Frage nach der Datenhoheit nicht nur die Verbraucher, sondern auch die Unternehmen betroffen.

Die nächsten Jahre werden zeigen, welche Antworten die Wirtschaft und Gesellschaft auf die Herausforderungen der Datenökonomie findet. Diesen Wandel in seinen Facetten zu begleiten und zu kommentieren, hat sich dieser Blog zum Ziel gesetzt.

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