Rupert Spiegelberg

Die Kunden sind es heute gewöhnt, den Großteil ihrer Geschäfte online zu erledigen. Das betrifft mittlerweile auch den Abschluss von Verträgen, wie die Eröffnung eines Bankkontos. Der Gang zur Bank oder zur Post, um ein Konto zu eröffnen, ist für viele Kunden daher keine echte Option. Hier kommt das Fintech-Startup IDnow ins Spiel. Mit seiner Video-Ident-Lösung ist es möglich, zuhause oder unterwegs ein Konto zu eröffnen.
Inzwischen setzen zahlreiche Banken und Fintech-Startups die Lösungen von IDnow beim digitalen onboarding ein. 
Erst in dieser Woche wurde IDnow zum “Erfolgreichsten Fintech” gekürt. Im Gespräch mit Identity Economy erläutert der neue CEO von IDnow, Rupert Spiegelberg (Foto), wie er das aktuelle Marktumfeld bewertet und wohin sich IDnow in den nächsten entwickeln will. 

  • Herr Spiegelberg, seit kurzem sind Sie der neue CEO von IDnow – welche Schwerpunkte wollen Sie setzen?

IDnow ist mit seinen Lösungen Wegbereiter einer sehr spannenden Entwicklung, bei der die Video-Identifizierung zum Vertrauensmoment der schnellen, sicheren und GWG-konformen Online-Transaktion wird. Unser Fokus liegt jetzt darauf, unseren Kunden die verschiedenen Einsatzbereiche für unsere AI-basierte Technologie zu erschließen, denn diese kann die Kosteneffizienz, Konversionsrate und Geschwindigkeit vieler digitalen Prozesse nochmals signifikant verbessern. Viele Kunden wollen unseren digitalen Onboarding-Service auch in ihren internationalen Märkten einsetzen, daher arbeiten wir mit vollem Einsatz an Lösungen, die den regulatorischen Anforderungen in ganz Europa entsprechen. 

  • Das digitale Onboarding ist bei vielen Banken noch ein Knack- bzw. Schwachpunkt – wie kann IDnow hier unterstützen?

Wir helfen Banken, die letzte große Lücke beim digitalen Onboarding zu schließen – die schnelle und bequeme GWG-konforme Identifizierung. Statt wie bisher am Bank- oder Postschalter erfolgt dieser Schritt bei IDnow per Video-Chat, auf dem Smartphone oder dem PC zuhause. Im Anschluss unterzeichnen die Kunden den Vertrag digital, denn mit IDnow eSign liefern wir auch gleich einen passgenauen Baustein für die qualifizierte elektronische Signatur (QES). Am Ende steht die vollständig digitale, papierlose und medienbruchfreie Vertragsstrecke. Unsere Lösung kann sehr flexibel in die Antragsstrecke der Bank eingebunden werden, so dass der Kunde gar nicht erkennt, dass er sich über uns und nicht die Bank selbst identifiziert. Damit gewährleisten wir einen nahtlosen Prozess, der die Konversionsrate positiv beeinflusst.

  • Warum ist das Digitale Onboarding für die Banken so wichtig?

Es geht vor allem um eine bessere User Experience, Kostenreduzierung und die Steigerung von Konversionsraten. Bei einem durchgängig digitalen Akquise-Prozess erhöht sich die Konversionsrate ganz erheblich – bei den Kunden von IDnow liegt die Steigerung bei über 50 Prozent. Es gibt Zielgruppen, die mit dem traditionellen Onboarding nicht oder nur marginal erreicht werden können. Das gilt besonders für junge Kundengruppen mit einem hohen Anspruch an Usability und Kundenzentrierung. Genau wie im analogen Leben zählt hier im Kundenerleben der erste Moment, die erste Begegnung mit dem neuen Anbieter. Ist das Erlebnis angenehm? Ist es technisch auf Augenhöhe? Wird mit meiner Zeit achtsam umgegangen? Die wahrgenommene Qualität im Onboarding-Prozess wird dabei zum Maßstab für die gesamte Qualitätswahrnehmung der Kunden. 

  • Die Digitalisierung, und mehr noch der Medienwandel führen dazu, dass die Banken häufig aus dem Blickfeld der Kunden verschwinden bzw. kaum noch wahrgenommen werden – wie kann IDnow dem entgegenwirken?

Es stimmt, dass die Face-to-Face-Begegnungen zwischen Banken und ihren Kunden im digitalen Zeitalter abnehmen. Durch die Automatisierung vieler Prozesse werden weitere Interaktionen in Zukunft wegfallen. Richtig eingesetzt kann unser Video-Ident-Verfahren dieser Tendenz entgegenwirken: Die Neukunden werden mit einem lückenlosen, bequemen Prozess an Bord geholt und können das Bankkonto oder die Kreditkarte sofort einsetzen. Das schafft einen hohen Vertrauensvorschuss in die technologische und kommunikative Kompetenz des Anbieters. Anders gesprochen: Wenn Banken ihren Kunden ein technisch ausgereiftes digitales Onboarding-Erlebnis bieten, positionieren sie sich als digitale Leader – und zwar an einer Stelle, an der die Kunden dies sehr bewusst wahrnehmen. Viele unserer Kunden werben deshalb aktiv damit, dass sie beim Onboarding unsere Video-Ident-Lösung anbieten. Darüber hinaus bilden unsere Ident Spezialisten den ersten Kontakt zu den Endkunden. Aufgrund unserer flexibel anpassbaren Prozesse können die Banken diesen nach ihren Vorstellungen gestalten. Wenn sie sich für unsere SaaS-Lösung entscheiden, können sie den Prozess um weitere Schritte wie Upselling oder Beratung ergänzen.   

  • Führt die beschriebene Entwicklung nicht auch dazu, dass der Bedarf an Komplettanbietern, die das Thema Onboarding, Signing und identity based marketing – branchenübergreifend – aus einer Hand anbieten, steigt?

Es gibt einen gesunden Wettbewerb in unserem Markt und wir schließen nicht aus, dass es eines Tages bei den ganz großen Akteuren auch Komplettlösungen geben wird. Momentan entwickelt sich der Banken- und Versicherungsmarkt aber eher zu einem modularen Gefüge, in dem wichtige Prozesse wie die Video-Identifizierung zugekauft werden. Mit IDnow als Partner können unsere Kunden bereits Video-Ident mit integrierter elektronischer Unterschrift anbieten.

  • Wie schätzen Sie die Auswirkungen der neuen regulatorischen Bestimmungen wie PSD2, GDPR, eIDAS und e-Privacy auf das Geschäftsmodell von IDnow und seiner Kunden ein?

Wir sehen in diesen neuen Bestimmungen zum einen notwendige Sicherheitsregularien, die das Vertrauen der Kunden in digitale Produkte/Prozesse fördern. Zum anderen sind sie eine Chance für neue Produkte. Einen sehr positiven Einfluss auf unser Geschäftsmodell hat die eIDAS-Verordnung. Durch sie wurde eSigning in allen EU-Mitgliedsstaaten harmonisiert. Unsere Lösung IDnow eSign basiert auf dieser Verordnung und entspricht seit Beginn den technischen Anforderungen. Europaweit nutzen sie bereits zahlreiche Firmen.

  • Welchen Einfluss werden Digitale Währungen und die Blockchain-Technologie auf die strategische Ausrichtung von IDnow haben?

In DACH sind wir jetzt schon der größte Anbieter von Identifikations-Lösungen für Kryptowährungs-Plattformen und andere Geschäfte rundum Blockchain. Wir sehen in diesem Bereich ein großes Wachstumspotenzial. Blockchain ist unserer Ansicht nach die ideale Plattform für die sichere und reibungslose Identifikation für digitale Transaktionen. Deswegen beschäftigen wir uns auch mit diesem Bereich.

  • In den USA wird bereits mit identitätsbasierenden digitalen Währungen (AML Bitcoin) experimentiert – was halten Sie davon?

Es bleibt abzuwarten, wie sich AML Bitcoin entwickeln. Generell ist es unser Ziel, AML-Compliance für alle Kryptowährungen anzubieten.

  • Welche Rolle wird die eID in Zukunft bei der Identifizierung im Internet übernehmen – ist Estland ein Sonderfall oder werden demnächst alle Länder in Europa dem Beispiel folgen? 

Estland ist in Sachen Digitalisierung die absolute Nummer 1 und hat damit natürlich auch eine Vorbildfunktion. Dort gibt es bereits viele Einsatzmöglichkeiten für die eID. Daher ist die Akzeptanz dort auch entsprechend hoch. Das ist bei uns bis jetzt nicht der Fall. Hierzulande liegt die Nutzungsrate im Promillebereich. Sie ist schwierig anzuwenden, da zum einen Lesegeräte nicht besonders nutzerfreundlich sind und es zum anderen immer noch technische Schwierigkeiten gibt.

  • Wie grenzt sich IDnow von Single Sign On – Initiativen wie Verimi und Yes ab?  

Grundsätzlich funktionieren diese Systeme nur dann, wenn eine initiale Identifikation stattgefunden hat. Das ist das Geschäftsmodell von IDnow.

Wir sehen die zentrale Datenspeicherung sowohl aus Datenschutz- als auch aus Sicherheitsgründen als sehr problematisch. Allein in 2016 wurden weltweit 1,1 Mrd. Identitäten geklaut. Unserer Meinung nach geht der Trend zu dezentralen Speicherungen wie z.B. Blockchain.

  • Der amerikanische Marketing-Vordenker Ted Levitt hielt es für die wichtigste Aufgabe von Unternehmen sich zu fragen, im welchem Geschäft sie eigentlich tätig sind: In welchem Geschäft wird IDnow in fünf Jahren tätig sein?

Wir werden uns weiterhin mit dem digitalen Onboarding und Identitäten beschäftigen, allerdings in viel mehr Ländern und einer Menge anderer Branchen.

  • Herr Spiegelberg, besten Dank für das Gespräch!

Das Interview erschien zuerst auf Bankstil

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