Wenn es gelingt, die Blockchain-Technologie mit dem Internet der Dinge so zu kombinieren, dass die Herstellung von Produkten und die Bereitstellung von Services fast voll automatisch erfolgen kann, verändern sich ganze Wertschöpfungsketten. Bis dahin ist noch viel Grundlagenarbeit zu erledigen. Dennoch sind die Fortschritte auf dem Gebiet – jenseits des Hypes – ansehnlich. Erst das Zusammenwirken von Software und Hardware verleiht der Blockchain-Technologie die nötige Stabilität und Sicherheit für den großflächigen Einsatz. Zu den wenigen Unternehmen, die auf diesem Gebiet tätig sind, zählt Riddle&Code aus Wien. Im Gespräch mit Banking on Things erläutert Sebastian Becker (Foto), CCO von Riddle&Code, u.a. warum fälschungssichere Identitäten von Maschinen und physikalische Objekte für die Verbreitung des Internets der Dinge essenziell sind und welche Rolle der Blockchain-Technologie dabei zufällt .

Sebastian Becker, Chief Commercial Officer (CCO) Riddle&Code
  • Herr Becker, was genau macht Riddle&Code und welche Funktion üben Sie dort aus?

Die Riddle&Code GmbH mit Sitz in Wien ist die ‚Blockchain Interface Company‘. Das soll jetzt aber nicht nur möglichst modern klingen, sondern ist auch genau so gemeint: Wir bauen technische Brücken in Form von Hardware und Software, um die Welt der Dinge, in der Regel als Teil industrieller Wertschöpfungsketten, mit den Blockchains als digitale Plattformen zu verbinden. Da grob geschätzt 95% aller Blockchain-Projekte heute noch reine Software-Projekte sind, helfen wir unseren Kunden dabei, diese elementare (Sicherheits-)Lücke zu schließen. Sonst wird es nämlich schwierig mit dem Umziehen von Business-Prozessen auf DLT-Systeme.

In diesem Kontext bin ich als Chief Commercial Officer für den Vertrieb und das Business Development rund um diese Lösungen zuständig – denn natürlich ist hier nach wie vor noch ein gutes Maß an Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit nötig.

  • Was sind aktuell die größten Herausforderungen bei der Verbindung der Blockchain-Technologie mit dem Internet der Dinge?

Natürlich hat die Blockchain die erste Hype-Welle bereits hinter sich und wir werden dieses Jahr nach all den Pilotprojekten mehr und mehr kommerziell gelaunchte Projekte mit höherem technischen Reifegrad sehen. Aber natürlich ist der Markt für industrielle Prozesse, die auf Blockchains basieren, immer noch in einer frühen Phase.

Im Wesentlichen gibt es zwei Probleme: Die Blockchain-Strategie ist in vielen Unternehmen, die mit der Technologie momentan arbeiten, noch nicht komplett durchdekliniert oder auf höchster Ebene verabschiedet. Das ist auch kein Wunder, da es hier nicht nur um technisch umfassende Weichenstellungen geht, die auch die zuständigen Manager im mittleren operativen Level noch nicht komplett einschätzen können, und dann kommt noch die Verschränkung mit anderen komplexen Themen wie AI oder Tokeniserung dazu. Dies ist die strategische Seite – und sie sollte keine Ausrede sein – denn wer hier diesen Paradigmenwechsel versäumt, wird in einigen Industrien eine der letzten Chancen verpassen, das häufig noch überlegene technische und prozessuale Know-how in Europa zu ‚hedgen‘ und unsere Vorstellungen von guter Governance auch technisch ein Fundament zu geben. Dass die Wertschöpfung vieler digitaler Lebenssphären an die amerikanische West- oder die chinesische Südost-Küste fließt, kann jedenfalls industrie-politisch nicht der Plan der nächsten zwei Dekaden sein.

Dazu kommt die technische Herausforderung, für unsere in naher Zukunft noch deutlich rascher expandierende vernetzte Umgebung ein Upgrade zu schaffen – in jedem Fall für kritische Infrastrukturen – indem wir relevante Maschinen, Fahrzeuge oder Sensoren zu absolut vertrauenswürdigen Datenquellen machen. Wir bieten dafür industriell einsetzbare Lösungen an: wir verbauen eigens designte Crypto-Chips, die mittels unserer Software an beliebige Blockchains angebunden werden können und obendrein noch volle Wallet-Fähigkeit besitzen. Somit kreieren wir digitale und fälschungssichere Identitäten für Maschinen und andere physikalische Objekte, sodass man dann mit deren digitalem Zwilling oder der entsprechenden Maschinen-Wallet sichere Prozesse konstruieren kann.

  • Bestehen in Sachen Verbreitung und Akzeptanz Unterschiede zwischen den jeweiligen Branchen?

Ja, natürlich gibt es unterschiedliche Produktentwicklungszyklen in verschiedenen Industrien, aber der simpelste Unterschied ist der, dass etwa der Bankenbereich bereits heute mit einer Asset-Klasse umgehen muss, die nun einmal im Markt ist. Dennoch interessiert sich die Finanzbranche nur sekundär für Cryptowährungen, sondern bereitet sich breitflächig auf die Tokenisierung aller möglichen Assets vor, von klassischen Finanzinstrumenten wie Anleihen über den Kunstmarkt bis hin zu Industrie-Anlagen. Aber auch für die Crypto-Währungen braucht der Sektor natürlich bereits heute Verwahr-Lösungen und Trading-Plattformen, die wir – hardware-basiert und regulierungskonform sowie voll auditiert – in der Schweiz bereits im Einsatz haben.

In den anderen Industrien geht es noch mehr um MVPs oder Pilotprojekte, weil zum Beispiel die Autoindustrie nicht nur Prozesse für DLT-basierte Mobilitäts-Dienste ausdenken und diese testen muss, sondern – sobald man in die Nähe von Serienfahrzeugen kommt – natürlich jede Menge Zertifizierungen erfolgen müssen. Dies hat, ebenso wie die Fertigstellung neuer Modelle, nun einmal einen mehrjährigen Vorlauf. Aber gut konzipierte Projekte können auch heute schon nachhaltige Fortschritte erzielen, indem etwa die Frage nach der verwendeten Blockchain eigentlich noch offen gelassen wird und entsprechende Minimum Viable Products oder Ecosystems so gebaut werden, dass bestimmte Protokolle bis zu einem Übergabe-Punkt führen, an dem dann final Blockchain A, B oder C angedockt wird. Dies ist dann keine Rocket Science mehr, aber so kann das Unternehmen seine eigenen Backend- und Datenhaltungsprozesse sowie die dafür nötige Policy definieren und verproben, und am Ende dann erst wesentliche Entscheidungen treffen, wenn es ernst wird. So wie heutzutage eben die zum geplanten Zeitpunkt einer möglichst spät gelegten Deadline die dann jeweils modernste Chipgeneration in ein Gerät wandert, und nicht die Chipgeneration, die bei Start der Planung aktuell war, weiterverwendet wird.

Entsprechend glauben wir, dass sich im Energie-Sektor dieses und nächstes Jahr viel tun wird, gerade weil sich dort europaweit die Regulierung ändert. Im Mobility-Bereich kommt durch das veränderte Nutzerverhalten neuer Druck auf den Kessel – und das autonome Fahren steht quasi vor der Türe, und hier handelt es sich um den klassischen Fall einer kritischen Infrastruktur, in der sichere Maschinen-Identitäten ein Muss sein werden, für die Behörden ebenso wie für die Versicherer.

Da reicht es dann eben nicht mehr, bisherige Identity-Kennzeichnungen einfach in Blockchains zu schreiben und dann Rechte zu vergeben, ein Robo-Taxi sollte zum Beispiel vor jeder Fahrt einen kurzen Integritätscheck ausführen, um seine eigene Fahrtauglichkeit zu bestätigen. Es ist ja sonst keiner da, der etwas Problematisches bemerken würde.

  • Worin unterscheidet sich Riddle&Code von anderen Unternehmen in dem Umfeld?

Natürlich gibt es in diesem Feld noch recht wenige Mitbewerber, aber global betrachtet sind es schon eine gute Handvoll, und es werden natürlich noch mehr werden. Da unser Gründer, Prof. Thomas Fürstner, jedoch bereits vor mehr als fünf Jahren mit der Entwicklung eigener Hardware-Designs begonnen hat und auch ein sehr, sehr tiefes Wissen über alle Dinge im Crypto-Umfeld hat, dürfte unser Vorsprung hier noch einige Zeit deutlich spürbar sein. Aber die Hardware ist für uns auch nur Mittel zum Zweck, da es 2013/2014 nichts gab, was als Blockchain-spezifische Hardware bezeichnet hätte werden können, musste man quasi zwangsläufig die Dinge selbst in die Hand nehmen. Aber im Kern sind wir trotzdem eher eine Software Company, auch wenn das heute etwas anders erscheinen mag. Aber einige Patente, die recht weitreichend sind, werden uns in Zukunft noch viele Leverage verleihen.

  • Wie will Riddle&Code die Integrität der Maschinen-und Gerätedaten sicherstellen?

Es geht um Herstellung lückenloser Ketten und Prozesse – unsere Crypto Chips werden während der Produktion in der Blockchain registriert. Diese Verknüpfung aus einer hochgradig sicheren Hardware-Modularchitektur sowie einem Registry-Eintrag in einer kryptografisch hochsicheren dezentralen Blockchain ist im Prinzip eine sehr, sehr sichere Kombination. Da die Daten dann dort, wo sie ‚entstehen‘, nämlich auf dem Chip verschlüsselt werden, mit der Identität der Maschine signiert und dann in eine nicht hackbare Chain gesichert übertragen werden, können wir hier von einem hochsicheren Prozess sprechen. Wir wurden in der Schweiz auditiert, der Code wurde gereviewt und die Pforten des bekanntermaßen nicht risikofreudigen Schweizer Finanzsystems haben sich für uns geöffnet. Wir haben aber auch Chips und Antenne zum Beispiel in einem feinmechanischen kleinen Meisterstück in Stücke analoger (französisch-schweizerischer) Uhrmacherkunst integriert, und mit Daimler zusammen eine hardware-basierte Car Wallet realisiert. Und auch die T-Systems ist einer unserer Großkunden, es fehlt uns also nicht an Top-Unternehmen, die unseren Zukunfts-Konzepten vertrauen.

  • Bislang sind die meisten blockchain-basierten Lösungen im IoT-Umfeld nicht über die PoC-Phase hinaus gekommen – woran liegt das, ist Besserung in Sicht?

Es ist, denke ich, eher normal, dass viele Projekte zunächst mit der Suche nach brauchbaren Use Cases beginnen und sich dann auf die Ausarbeitung eines Daten-Management-Prozesses konzentrieren. In dieser ersten Phase wird die Frage nach der Hardware gerne noch ausgeklammert, da sie komplexer ist als Software-Entwicklung und ja auch nicht alle Projekte eine Hardware-Komponente brauchen.

Wenn es dann ernster wird, kommt die physikalische Welt ins Spielt und muss – wenn es um kritische Prozesse geht – eben mit digitalen Identitäten versorgt werden und mit angebunden werden. Hier, wenn es in die MVP-Phase geht, sind unsere Crypto Chips dann auch häufig noch nicht in die finale Maschine eingebaut, da dort gerade noch ein Produktentwicklungszyklus läuft oder nach Veränderung des Geräts noch eine aufwändige Zertifizierung ansteht. Aber die finale Integration ist dann keine ingenieurstechnische Herausforderung mehr, das kommt aber eben zum Schluss, wenn Sinn und Zweck einer Voll-Integration von Blockchain Tech sowie das Business-Modell zur Markteinführung klar sind. Wie gesagt, wir werden hier in den nächsten zwei Jahren noch viel sehen, was gerade gebaut und konzipiert wird. In diesem Sinne also ein klares Ja, es geht voran. Aber es dauert, da es häufig auch um Legacy-IT-Systemintegration geht und um neue Governance- und Prozess-Strukturen.

  • Welche Rolle wird die Hardware im Internet der Dinge künftig spielen – nur nötiges Beiwerk oder Differenzierungsmerkmal?

Wir sind ja gerade noch mitten in einer Phase, in der sich zum Beispiel Versicherungen AI-Unternehmen kaufen, um bessere Planungsgrundlagen für neue Produkte und Services zu haben. Dort wird man aber auch bald merken, dass es – was die Sicherheit angeht – in Zukunft eben zwei Business Tiers geben wird: Daten-Modelle, die auf Basis von ‚Best Effort Security‘-Daten gewonnen werden, etwa in simplen Logistik-Ketten oder dem Betrieb von Maschinen in einer Produktionsanlage, die nur einer Company gehört und am besten noch in einem geschlossenen Netz arbeitet. Aber auch davon gibt es eben immer weniger. Dann kommt aber der ‚Premium Tier‘ – Modelle und Produkte, wie etwa Mobilitätsversicherungen für autonome Fahrzeugflotten, die nur dann gewährt werden, wenn diese Systeme jederzeit eine Selbstanalyse durchführen können und diese Daten eindeutig bestimmten Fahrzeugen oder Maschinen zuzuweisen sind.

Insofern kann dies ein Differenzierungsmerkmal sein – etwa auch für die vielen Blockchains da drau0en, die zwar alle von den besten Features auf Software-Ebene berichten, aber viele können eben noch keinen industriellen Prozess im Regelbetrieb vorweisen, der End-to-End auf Blockchains basiert und voll zertifiziert wäre.

Aber ich würde eher soweit gehen zu sagen, dass Verifizierungen für kritische Infrastruktur auf Blockchain-Basis ein fundamentales Merkmal vieler zukünftiger Industrie-Prozesse sein wird. Genauso wird es aber auch noch in zehn Jahren Excel-Sheets, Kopiergeräte und Briefpost geben, um weniger kritische Abläufe meistern zu können.

  • Was meinen Sie, wo stehen wir bei der Verbindung zwischen dem IoT und der Blockchain in fünf Jahren?

Wir sind sicher sehr viel weiter als heute. Das Überangebot von Blockchains wird sich bereinigt haben, es wird leistungsfähige Chains mit unterschiedlichen Spezial-Gebieten und Verbrauchsfeatures geben, und einige Giganten à la Amazon werden eigene Lösungen im Markt haben, die vieles ändern werden. Und natürlich wird die finanzielle Hebelbarkeit von blockchain-registrierten Gegenständen von Wert und die umfassende Tokenisierung von Gütern und Services dazu führen, dass sich die Business-Modell-Frage viel fundamentaler lösen lässt, wie sich das heute oftmals darstellt. Jedenfalls wird es hoffentlich in dieser Diskussion nicht mehr so absurd zugehen wie aktuell. Denn natürlich verbraucht eine Bitcoin-Blockchain viel Strom. Weil sie eben genau mit diesen Security Features konzipiert wurde. Aber kein Mensch käme wohl auf die Idee zu sagen, dass wir die Entwicklung von Elektro-Fahrzeugen einstellen, nur weil ein Ferrari als Phänotyp eines Autos eigentlich zu viel Benzin verbraucht. Wir sind also Optimisten, was die Zukunft von Blockchains angeht. Aber das wundert jetzt vermutlich auch niemand an dieser Stelle.

  • Herr Becker, besten Dank für das Gespräch!

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