Von Ralf Keuper

Vor wenigen Wochen wollten einige Abgeordnete der Fraktion Bündnis90/Die Grünen von der Bundesregierung wissen, wie sie es mit den Blockchain- und Distributed Ledger – Technologien hält. Wenngleich die Abgeordneten die Blockchain-Technologie nicht unkritisch betrachten, überwiegen für sie dennoch die Chancen für die Wirtschaft und Gesellschaft: 

In Deutschland besteht nach Ansicht der Fragestellenden die einmalige Chance, mit einer im internationalen Vergleich florierenden Blockchain Community vor allem in Berlin, aber beispielsweise auch in München und Frankfurt, interessante Anwendungsfelder zu definieren und entsprechende Geschäftsmodelle zuentwickeln. Von den anstehenden politischen Entscheidungen auf Bundes-, europäischer sowie internationaler Ebene wird abhängen, ob es gelingt, die vielfältigen Potenziale von Blockchain- und Distributed-Ledger-Technologien tatsächlich zum Tragen zu bringen, mögliche Risiken zu verringern, Rechtssicherheit durch Regulierung zu schaffen, sinnvolle Technologieförderung zu betreiben sowie die innovative und heterogene Gründerszene in Deutschland nichtnur zu erhalten, sondern den Standortvorteil auszubauen und vielversprechendeökonomische sowie sozial-ökologische Entwicklungen zu unterstützen.

Gegenstand der Anfrage waren auch die aktuellen und geplanten Aktivitäten der Bundesregierung im Bereich der Digitalen Identitäten. 

Angesprochen auf Use Cases im Rahmen der Europäischen Blockchain Partnerschaft ließ die Regierung wissen: 

Die Europäische Kommission hat von sämtlichen Partnerstaaten Use Cases erfragt, die sich für eine europäische Blockchain Services Infrastruktur eignen könnten. In diesem Zusammenhang hat auch das BMWi verschiedene mögliche Use Cases zusammengetragen. Diese Use Cases umfassten mehrere im Zusammenhang mit dezentralen digitalen Identitäten und mehrere im Zusammenhangmit der Validierung von Dokumenten, wie Zeugnissen oder Führerscheinen. Sobald im Rahmen der Partnerschaft Entscheidungen getroffen werden sollten, werden sämtliche Ressorts im Rahmen ihrer Zuständigkeiten einbezogen.

Die Anfrager wollten von der Regierung wissen, welche Ergebnisse die vom Bundeswirtschaftsministerium durchgeführten Experten-Workshops gebracht haben. 

Die Antwort der Regierung:

In den Experten-Workshops des BMWi wurde eine Reihe von Bereichen identifiziert, in denen sich die „Blockchain-Community“ ein stärkeres Engagement derWirtschaftspolitik wünscht. Dies betrifft unter anderem das Setzen einiger grundsätzlicher Standards, zum Beispiel mit Blick auf Sicherheitsanforderungen, die Definition von Formvorschriften oder um die Interoperabilität von Blockchainszu verbessern. Um Blockchains für rechtssichere digitale Identitäten verwendenzu können, bedürfe es ebenfalls der politischen Unterstützung für den notwendigen Ordnungsrahmen. Zudem sollte die Verwaltung mit gutem Beispiel vorangehen und den Einsatz von Blockchains in ihrem Einflussbereich umsetze

Auf die Frage

Welche Potenziale von auf Blockchain- und Distributed-Ledger-Technolo-gien programmierten Smart Contracts sieht die Bundesregierung jeweils fürdie Bereiche finanzielle und digitale Transaktionen, neue Formen der Unternehmensfinanzierung und Unternehmensbeteiligung, Industrieprozesse unddigitale Fabriken sowie Datentransfers im „Internet of Things“, und welchepolitischen Gestaltungsmöglichkeiten existieren nach Ansicht der Bundesre-gierung, um diese Potenziale zum Tragen zu bringen?

antwortete die Bundesregierung:

…  Eine wesentliche Grundlage für die Blockchain-Infrastruktur, in der „SmartContracts“ zur Anwendung kommen, sind rechtssichere digitale Identitäten, sowohl für natürliche Personen als auch für Maschinen und Geräte. Bislang gibt es eine Reihe von Pilotprojekten in diesem Bereich, die aber nicht miteinander interoperabel sind. Es gibt derzeit auch noch keinen akzeptierten Standard für digitale Identitäten. Die Bundesregierung wird im Rahmen der Erarbeitung der Blockchain-Strategie prüfen, inwiefern sie über die Vernetzung der „Blockchain-Community“, über Pilotprojekte im eigenen Zuständigkeitsbereich und über den Austausch auf europäischer und internationaler Ebene an der Entwicklung von Standards für digitale Identitäten mitwirken kann.

Die Regierung verweist auf die verschiedenen Initiativen unter deutscher Beteiligung bei der Definition internationaler Standards, wobei die DIN eine besondere Rolle einnimmt. Die Bundesregierung schreibt dazu:

Die Normung und Standardisierung von Basistechnologien für Industrie 4.0 (z. B.Sichere Digitale Identitäten; Cyber Security) wird von DIN auch auf europäischerund internationaler Ebene begleitet. Gemeinsame Komitees auf internationaler(ISO/IEC, JTC 1/SC 27) und europäischer Ebene (CEN/CENELEC JTC 13 Cy-bersecurity and Data Protection) haben inzwischen zahlreiche strategisch wichtige Projekte in Gang gesetzt. DIN hat hierfür im relevanten Normenausschuss „Informationstechnologie und Anwendungen“ einen neuen Fachbereich etabliert. JTC 13 befasst sich mit der Entwicklung von Standards für Datenschutz, Informationsschutz, Sicherheitstechnologien mit besonderem Fokus auf Cybersicherheit, die alle Aspekte der sich entwickelnden Informationsgesellschaft betreffen. Bestehende oder in der Entwicklung befindliche Standards sollen identifiziert und in das europäische Normenwerk übernommen und gemäß europäischer Verordnungen adaptiert werden, um die Entwicklung des europäischen Digitalen Binnenmarkts zu unterstützen.

Die Regierung verweist dabei auf das vom DIN geleitete Projekt Sichere Digitale Identitäten:

Zudem hat DIN im Auftrag des BMWi eine Sachverhalts- und Situationsanalysezu „Sichere Digitale Identitäten“ (SDI) inklusive der Ermittlung des Handlungsbedarfs und Umsetzungsempfehlungen zur Definition und Etablierung von SDI als Vertrauensanker in der digitalisierten Welt durchgeführt und einen Berichtvorgelegt.

In ihrer Antwort auf die Frage

Welche Potenziale ergeben sich nach Ansicht der Bundesregierung durchBlockchain- und Distributed-Ledger-Technologien für den Bereich Indus-trie 4.0 und digitale Fabriken, und welche Möglichkeiten sieht die Bundes-regierung, auch den Beispielen anderer Staaten folgend, die angekündigteBlockchain-Strategie sowie Technologiepolitik allgemein stärker mit politischen Maßnahmen im Bereich Industrie 4.0 zu verzahnen?

nennt die Bundesregierung als Anwendungsfall u.a. das Smart Tracking:

Mögliche Anwendungsfälle sind erstens das sog. Smart Tracking. Dadurch kanndie Identität von Gegenständen in jeder Transport- und After-Sales-Phase eindeutig bestätigt werden. Zugleich ermöglicht die Blockchain eine umfassende Rückverfolgung und revisionssichere Dokumentation des Produktionsablaufs.

In ihren Antworten bescheinigt die Bundesregierung der Blockchain-Technologie, innovativ zu sein. Wie groß das Potenzial wirklich ist, sei zum jetzigen Zeitpunkt schwer abzuschätzen. Die Regierung sieht die Verantwortung für die Realisierung der Potenziale der Blockchain, d.h. konkreter Anwendungsfälle, ohnehin bei der privaten Wirtschaft und der Wissenschaft. Als Regierung könne man nur den Rahmen vorgeben.

Mitte nächsten Jahres will die Regierung ihre Blockchain-Strategie vorlegen. 

Die Regierung verweist auf von ihr geförderte, laufende Pilotprojekte:

  • Sechs Förderprojekte im Rahmen der technologieprogrammbezogenen Ausschreibungen Smart Service Welt II, IKT für Elektromobilität III und PAiCE(Platforms | Additive Manufacturing | Imaging | Communication | Enginee-ring): BIoGPV, ETIBLOGG, das Projekt Pebbles, SMECS, Charge4C unddas Projekt SAMPL.
  • Vier von fünf Modellregionen des Förderprogramms „Schaufenster intelligente Energie – Digitale Agenda für die Energiewende“ (SINТEG) erproben Distributed-Ledger-Technologie im Bereich des Stromhandels.
  • Die Pilotierung von Distributed-Ledger-Technologie im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF).

Alles in allem erwecken die Antworten den Eindruck, als wolle sich die Regierung bei der Blockchain- und den Distributed Ledger Technologie alle Optionen offen halten. Es wird abgewartet, welche Blockchain-Arten sich durchsetzen und wie “nachhaltig” diese relativ neue Technologie ist. Momentan verschafft man sich einen Überblick. Womöglich liefert die Blockchain-Strategie im nächsten Jahr konkretere Aussagen. Die Bedeutung Digitaler Identitäten für die Wirtschaft und Gesellschaft wird vollumfänglich anerkannt. Interessant wäre zu erfahren, wie die Use Cases bei den dezentralen Identitäten gestaltet sind und inwieweit die Regierung den dezentralen Ansatz unterstützt. Bei der Standardisierung setzt man vor allem auf DIN. Ohne wirtschaftspolitische Grundsatzentscheidungen, sowohl auf nationaler wie auch europäischer Ebene, was die Standards betrifft, wird es schwer, das Potenzial der Blockchain- und Distributed Ledger Technologien, sofern es vorhanden ist, zu heben. Allzu viel Zeit kann sich die Regierung nicht lassen. Andere Länder, wie Dubai, sind da schon weiter. 

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