Frankreich hat in den letzten Jahren eine führende Rolle bei der Implementierung biometrischer Identifizierungsmethoden eingenommen und dabei zahlreiche Maßnahmen eingeführt, die sowohl Fortschritte als auch Kontroversen mit sich bringen[1]Mit Frankreich auf dem Weg in den Überwachungsstaat?.

Bereits 2016 beschloss die französische Regierung den Aufbau einer umfassenden Datenbank, die biometrische Daten von 60 Millionen Bürgern speichert. Diese Maßnahme wurde später durch die Einführung der Alicem-App ergänzt, die 2019 als erstes digitales Identitätssystem Europas verpflichtend biometrische Gesichtserkennung einführte[2]Frankreich macht Gesichtserkennung bei der staatlichen digitalen Identität zur Pflicht. Die App vergleicht das biometrische Passfoto mit einem Selfie des Nutzers und löscht die Video-Daten nach der Identifizierung. Trotz ihrer Funktion als Universal-Login für Online-Dienste stieß Alicem auf Kritik von Datenschützern, da das System gegen das Einwilligungskonzept der DSGVO verstoßen soll.

Zusätzlich zu digitalen Identitätslösungen hat Frankreich eine führende Position in der Erfassung von DNA-Profilen für polizeiliche Zwecke eingenommen. Mit 6,5 Millionen gespeicherten Profilen führt Frankreich die EU-Liste an. Diese Daten sind Teil des Prüm-Rahmens, der den automatisierten Austausch von DNA-, Fingerabdruck- und Fahrzeugregistrierungsdaten zwischen EU-Mitgliedstaaten ermöglicht. Frankreich setzt sich zudem für eine Erweiterung des Systems ein, einschließlich eines zentralen Routers für Massen-DNA-Abfragen und die Integration polizeilicher Gesichtserkennungsdatenbanken. Kritiker warnen vor einer Entwicklung hin zu einem biometrischen Massenüberwachungssystem.

Die Olympischen Spiele 2024 in Paris dienten als Testlauf für neue biometrische Technologien. Frankreich erlaubte erstmals offiziell den Einsatz KI-gestützter Videoüberwachung in Metro-Stationen sowie Körperscanner an Stadioneingängen, um verdächtiges Verhalten oder Gefahren wie unbeaufsichtigtes Gepäck zu erkennen. Gesichtserkennung wurde dabei bewusst ausgeschlossen, dennoch bleibt die Nutzung solcher Technologien umstritten. Die Testphase läuft offiziell bis März 2025.

Ab dem 2. Februar 2025 haben EU-Mitgliedstaaten laut dem KI-Gesetz nun offiziell die Möglichkeit, KI-gestützte Technologien für die Überwachung in öffentlichen Räumen einzusetzen (siehe auch die Info-Box weiter unten).

Fazit

Mit seinen Maßnahmen zeigt Frankreich eine klare Tendenz zur verstärkten Nutzung biometrischer Daten für Sicherheit und Verwaltung, was jedoch erhebliche Bedenken hinsichtlich Datenschutz und Privatsphäre aufwirft. Während Befürworter auf die Effizienz und Sicherheit solcher Systeme hinweisen, kritisieren Gegner den potenziellen Missbrauch und die Gefahr eines Überwachungsstaates.

Überwachung nach dem KI-Gesetz der EU
Das KI-Gesetz der EU, auch als AI Act bekannt, wurde als weltweit erster umfassender Rechtsrahmen für KI im Jahr 2024 verabschiedet. Es zielt darauf ab, die Risiken von KI-Anwendungen zu adressieren und gleichzeitig Innovationen zu fördern.

Bezüglich der Überwachung in öffentlichen Räumen sieht das Gesetz strenge Regelungen vor:

  • Massenüberwachung und massenhafte Gesichtserkennung im öffentlichen Raum sind grundsätzlich verboten.
  • Biometrische Fernidentifizierungssysteme dürfen von Strafverfolgungsbehörden nur in eng definierten Ausnahmefällen eingesetzt werden, z.B. zur Suche nach vermissten Personen oder zur Verhinderung von Terroranschlägen.
  • KI-Systeme zur nachträglichen Fernidentifizierung gelten als hochriskant und benötigen eine gerichtliche Genehmigung.
  • Emotionserkennungssysteme am Arbeitsplatz und in Schulen sind verboten.
  • Vorausschauende Polizeiarbeit, die ausschließlich auf Profilerstellung oder Merkmalen einer Person basiert, ist nicht erlaubt.

Das Gesetz verfolgt einen risikobasierten Ansatz: Je höher das Risiko einer KI-Anwendung, desto strenger sind die Vorgaben. Für Hochrisiko-KI-Systeme, wie sie in kritischer Infrastruktur oder im Bildungs- und Gesundheitswesen zum Einsatz kommen, gelten besondere Anforderungen an Transparenz, menschliche Aufsicht und Risikominimierung.

Trotz dieser Einschränkungen gibt es Bestrebungen, KI-gestützte Videoüberwachung in bestimmten Bereichen einzusetzen. In Hamburg und Mannheim werden beispielsweise Pilotprojekte zur “intelligenten Videoüberwachung” durchgeführt, um die Straßenkriminalität zu reduzieren.

Diese Systeme sollen atypische Bewegungsmuster erkennen und die Polizei alarmieren. Es bleibt abzuwarten, wie sich diese Entwicklungen mit dem neuen KI-Gesetz vereinbaren lassen und welche Auswirkungen dies auf die öffentliche Sicherheit und den Datenschutz haben wird.