Dänemark prescht bei der europäischen digitalen Identität vor, während Deutschland noch in der Sandbox experimentiert. Doch der Vorreiter bindet sich an einen Anbieter im Besitz eines Private-Equity-Investors mit Exit-Druck. Ein Blick auf den Stand der EUDI-Wallet in vier Ländern zeigt: Europa ringt weiterhin um den Spagat zwischen staatlicher Kontrolle, technischer Interoperabilität und Bürgervertrauen.


Europas digitale Identität nimmt Gestalt an – in unterschiedlichem Tempo

Mit der Vergabe eines Auftrags an den norwegischen Identitätsdienstleister Signicat hat sich Dänemark an die Spitze der europäischen EUDI-Wallet-Entwicklung gesetzt. Der technologische Kern der Lösung – eine NFC-basierte Chip-Authentifizierung über das ReadID-Verfahren – folgt einer konsequent datenschutzorientierten Architektur. Die Verifikation erfolgt lokal auf dem Endgerät, ohne zentrale biometrische Datenspeicherung. In Verbindung mit dem nationalen eID-System MitID entsteht damit eine Brücke zwischen bestehender Identitätssicherung und künftiger grenzübergreifender Interoperabilität.

Der dänische Ansatz ist mehr als ein technisches Pilotprojekt. Er markiert einen konkreten Proof-of-Concept für das, was die eIDAS-2.0-Verordnung europaweit vorschreibt – zu einem Zeitpunkt, an dem viele Mitgliedstaaten noch mit grundlegenden Architekturentscheidungen ringen. Der geplante Wallet-Launch in der ersten Jahreshälfte 2026 verschafft dem Land einen erheblichen Vorsprung.

Das Abhängigkeitsrisiko

Die strategische Dimension des dänischen Vorgehens liegt indes nicht nur im Tempo – sondern auch im Risiko. Mit der Beauftragung von Signicat entsteht eine erhebliche Abhängigkeit von einem privaten Technologielieferanten für zentrale nationale Infrastrukturkomponenten. Das Unternehmen erwirtschaftet einen Jahresumsatz von rund 75 Millionen Dollar und beschäftigt etwa 500 Mitarbeiter. Für einen Anbieter kritischer staatlicher Identitätsinfrastruktur ist das eine überschaubare Größenordnung.

Schwerer wiegt die Eigentümerstruktur. Signicat gehört seit 2019 dem Private-Equity-Investor Nordic Capital. Im April 2022 hatte Nordic Capital bereits Vorbereitungen für einen Exit eingeleitet, die Verkaufspläne jedoch gestoppt, nachdem die Angebote unter den Bewertungserwartungen lagen. Die Beteiligung besteht nun seit über sechs Jahren – deutlich länger als der typische PE-Horizont von fünf bis sieben Jahren. Der Exit-Druck dürfte also eher zu- als abnehmen.

Für Dänemark bedeutet das: Das Land bindet sich an einen Anbieter, der jederzeit verkauft werden könnte – an einen anderen Private-Equity-Investor, einen strategischen Käufer oder möglicherweise sogar an einen außereuropäischen Akteur. Signicat hat durch acht Akquisitionen in den vergangenen Jahren schnell skaliert, was zwar Wachstum demonstriert, aber auch Integrationsrisiken und operative Komplexität erhöht. Die Fragen nach Governance, technischer Souveränität und Open-Source-Alternativen, die in Deutschland und Frankreich derzeit kontrovers …