Die Gematik hat das Nect ePass-Verfahren für die Telematikinfrastruktur zugelassen – ein biometrisches Identifikationsverfahren, das Versicherten den Weg zur GesundheitsID erleichtern soll. Der Ansatz verbindet technische Innovation mit regulatorischen Kompromissen, wirft aber grundsätzliche Fragen zur Sicherheit und Marktstruktur auf.


Die Zulassung des Nect ePass-Verfahrens durch die Gematik markiert einen wichtigen Fortschritt für die Fernidentifikation in der Telematikinfrastruktur, da es Versicherten nun eine biometrische Alternative zur physischen PIN-Beschaffung bietet – speziell für die Erstellung der GesundheitsID zur Nutzung von ePA oder E-Rezepten. Der Prozess kombiniert Videoaufnahme des Ausweises, NFC-Chip-Auslesen und Liveness-Check via gesprochenen Wörtern, was eIDAS-konforme Sicherheit mit hoher Automatisierung verbindet und klassische Video-Ident-Verfahren umgeht, die wegen Replay-Angriffen abgelehnt wurden.​

Stärken und Chancen

Dieses Verfahren adressiert reale Barrieren wie Mobilitätseinschränkungen oder ländliche Abgelegenheit, indem es ortsungebundene Onboarding ermöglicht und Krankenkassen entlastet – eine Erweiterung der August-2025-Zulassung für eGK-PINs. Für Anbieter wie Nect stärkt es die Position im wachsenden Markt digitaler Identität, ähnlich wie bei der Inverid-Integration durch Signicat, und passt zu EU-Trends wie EUDI-Wallet. Wirtschaftlich könnte es Effizienzen in der Gesundheits-IT schaffen, wo der Mittelstand (z. B. kleinere Kassen) von skalierbaren Tools profitiert.​

Risiken und Kritikpunkte

Trotz BSI-Einfluss und manueller Nachprüfung bleiben biometrische Video-Systeme anfällig für Deepfakes oder Zwangs-Szenarien, wie Chaos Computer Club warnt – eine Schwäche, die bei sensiblen Health-Daten (z. B. Patientenakten) kritisch ist. Die Gematik-Doppelrolle als Zertifizierer und Entwickler stößt auf Branchenwiderstand (Bitkom, Bvitg), da sie Markteintritte behindern könnte. Langfristig drohen Abhängigkeiten von wenigen Anbietern wie Nect, was Monopolrisiken birgt, vergleichbar mit Skepsis gegenüber Gaia-X oder unprofitablen Fintech-Konsolidierungen.​

Insgesamt ein pragmatischer, aber risikoreicher Kompromiss: Nützlich für Digitalisierung, doch regulatorische Unabhängigkeit und Deepfake-Resilienz müssen priorisiert werden.​


Quellen: 

Nect Ident mit ePass für Erstellung der GesundheitsID freigegeben
https://nect.com/blog/news/nect-erhaelt-gematik-freigabe-fuer-gesundheitsid-nutzung/​

Gematik bestätigt Eignung von VideoIdent-Verfahren
https://www.gematik.de/newsroom/news-detail/gematik-bestaetigt-eignung-von-videoident-verfahren-fuer-die-einrichtung-der-gesundh…​

Germany’s Gematik Approves Nect’s Automated Video ePass
https://idtechwire.com/germanys-gematik-approves-nects-automated-video-epass-for-healthid-access/​

Digitalagentur Gematik erlaubt wieder Videoident
https://www.handelsblatt.com/technik/medizin/inside-digital-health/gesundheit-digitalagentur-gematik-erlaubt-wieder-videoident-v…​

Fernidentifizierung: Gematik listet Nect Ident
https://www.kma-online.de/aktuelles/it-digital-health/detail/fernidentifizierung-gematik-listet-nect-ident-fuer-telematikinfrast…​

Viel Kritik an Doppelrolle der Gematik
https://www.heise.de/news/Gesundheits-Digitalagentur-Gesetz-Streit-um-Doppelrolle-der-Gematik-10028933.html​

Gematik listet Nect Ident als erstes Verfahren
https://nect.com/blog/news/nect-ident-erhaelt-gematik-eignung-fuer-die-telematikinfrastruktur/​

eHealth: Erweitertes Identverfahren für GesundheitsID
https://www.heise.de/hintergrund/eHealth-Erweitertes-Identverfahren-fuer-Zugang-zur-GesundheitsID-genehmigt-11099127.html​