Von Ralf Keuper
In der Vergangenheit leisteten Bankiers häufig wertvolle Hilfestellungen, um neuen Technologien und Unternehmen zum Durchbruch zu verhelfen, wie J.P. Morgan, der früh das Potenzial der Elektrifizierung für die Wirtschaft und Gesellschaft erkannte (Vgl. dazu: J.P. Morgan – Bankier und Industrieförderer (Filmdokumentation)).
Ein weiteres Beispiel ist Carl Fürstenberg, der langjährige Chef der Berliner Handelsgesellschaft und Wegbegleiter des, wenn man so will, “deutschen Edison”, Emil Rathenau, Gründer der AEG. In seiner Autobiografie schildert Fürstenberg den Stimmungswandel in der damaligen Bankenwelt:
Als ich in das Geschäftsleben eintrat, konnten große Vermögen und hohes Ansehen nur durch Vermittlung von Staatskrediten erworben werden. Etwas später lag der Schwerpunkt alles geschäftlichen Strebens in den großen Eisenbahntransaktionen. Als Rathenau und in seinem Gefolge ich selbst sich in großem Stil der Elektrizität zuwandten, wurden wir als merkwürdige Schwärmer angesehen, wie denn auch die finanzielle Beschäftigung mit Eisen, Stahl und Kohle damals noch als Unternehmergeschäft im wilden Sinne des Wortes galt, kaum ganz würdig eines soliden Bankiers. Ich war berufen, an einer Wandlung dieser Anschauungen mitzuwirken (in: Carl Fürstenberg. Die Lebensgeschichte eines deutschen Bankiers).
Die sich in den Jahren von 1871 bis 1914 vollziehende Transformation der Wirtschaft erforderte nicht nur tatkräftige Unternehmer und weitsichtige Regierungsvertreter, wie den Generalpostdirektor des Deutschen Kaiserreiches und Gründer des Weltpostverein, Heinrich von Stephan, sondern eben auch Bankiers mit Weitsicht und Gestaltungswillen:
Ein Land wird modernen Wirtschaftsformen erschlossen, ein Eisenbahnnetz wird errichtet, eine umwälzende Erfindung der praktischen Verwertung zugeführt, eine Industrie aufgebaut. Wie wenige machen sich wohl klar, dass zu alledem nicht nur technischer Erfindungsgeist, Organisationstalent, menschliche Arbeit und politische Unterstützung gehören, sondern auch ein schaffender und ordnender finanzieller Geist. “Nervus rerum” – ein abgegriffenes Wort, und doch noch heute die beste Definition für die Rolle des Kapitals in allen Fragen der Wirtschaft!. .. Die weiten Kreisen häufig ganz unbekannte geldliche Seite der Entwicklung ist nicht immer die malerischste, aber auch nicht immer die unwichtigste (ebd.).
Heute stehen wir mit der Industrie 4.0, dem Wandel von der Produkt- hin zur Serviceorientierung, vor einer ähnlichen Herausforderung wie zu Zeiten von Carl Fürstenberg. Neue Finanzierungsmodelle sind nötig. Sofern die Banken in Zukunft als Vertreter des “ordnenden finanziellen Geistes” wahrgenommen werden wollen, kommen sie nicht umhin, sich stärker als bisher mit dem Geschäft ihrer (Unternehmens-)kunden zu beschäftigen, d.h. sich stärker in deren Geschäftsprozesse einzubringen. Das kann im Bereich Cybersecurity, Risikomanagement (Predictive Maintenance) oder Finanzierung/Asset Based Financing sein. Anderenfalls werden andere, wie Amazon, Google oder Alibaba, diesen Part vollständig übernehmen. Gefragt sind unternehmerische Banken (Vgl. dazu: Vom Geldverleiher zur unternehmerischen Bank & Vom Bankier zum Banker zum Technologieunternehmer?).