Von Ralf Keuper

Über das Wesen der Blockchain ist schon viel spekuliert worden. Handelt es sich bei dieser Technologie um ein neues Phänomen, für das es in der Geschichte keinen Vorläufer gibt, oder übersetzt sie lediglich uralte, archaische Praktiken in eine neue, der Zeit entsprechenden Form?

Der italienische Philosoph Mauricio Ferraris geht in Was ist Kapital? Wie steht es zum Geld? Was leistet die Blockchain? weit in die Vergangenheit zurück, um die Verbindungslinien ausfindig zu machen. Bereits  35.000 Jahre vor Christus hätten unsere Vorfahren mit Kerben Vorgänge, Ereignisse aufgezeichnet, um sie dem Vergessen zu entreißen und zu dokumentieren. Im Lauf der Zeit wurden neue Dokumentationsformen eingeführt. Das Hauptprinzip jedoch blieb erhalten: Die fälschungssichere, durch mindestens zwei Parteien bestätigte Dokumentation eines bestehenden Vertrags- und Schuldverhältnisses, deren neueste Ausprägung die Blockchain ist:

Denn die Blockchain – diese Erfindung, die uns als die grösste Neuheit unserer Zeit erscheint – ist nichts anderes als ein weltweites, auf unzählige Computer ausgeweitetes Kerbholz. Anstelle eines von zwei Personen geteilten Zählstabs haben wir es mit einer Spur zu tun, die auf möglichst vielen Festplatten gespeichert wird, damit das Hinzufügen oder Löschen von Spuren (Blöcken) verhindert wird. Einmal mehr bringt die Technologie, wie in einer Prozession, uralte Dinge wieder ans Licht.

Die Blockchain als universelles Register bringe neben zahlreichen Vorteilen auch einige Nachteile mit sich. Zu letzteren zählt der Verlust der Anonymität. Indiskretion ist das Hauptwesensmerkmal der Blockchain.

Vor Ferraris und der Blockchain führte der Medienwissenschaftler Friedrich Kittler den Begriff des Aufschreibesystems ein (Vgl. dazu: Banking im totalen Medienverbund auf Digitalbasis – Aufschreibesystem 2000+).

Als Aufschreibesystem bezeichnet Friedrich Kittler in seiner Medientheorie primär technische Einrichtungen, die dem Speichern von Daten dienen, aber auch „das Netzwerk von Techniken und Institutionen […], die einer gegebenen Kultur die Adressierung, Speicherung und Verarbeitung relevanter Daten erlauben“. (Quelle: Wikipedia)

Um den von Ferraris genannten Gefahren begegnen und ein Minimum an Diskretion bewahren zu können, benötigen wir künftig so etwas wie ein Bankgeheimnis 4.0.

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