Von Ralf Keuper
Am 10.07.2018 wurde in der FernUni Hagen die Offene Werkstatt des Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrums eStandards offiziell eröffnet, wie u.a. in Offene Werkstatt für Digitalisierung eröffnet berichtet wird.
In der Offenen Werkstatt Hagen können sich die Unternehmen und Handwerksbetriebe mit den verschiedenen Einsatzfeldern der Digitalisierung in der Fertigung oder im Smart Home vertraut machen. Wie Jörg Siegmann, Projektleiter vom Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum in Hagen, betonte, sei es das Ziel, Mittelstand und Handwerk eine Möglichkeit zu geben, die Digitalisierung in konkreten Anwendungen zu erleben.
In der Offenen Werkstatt Hagen wird beispielsweise demonstriert, wie ein Objekt dreidimensional gescannt und dann auf einem 3D-Drucker eine originalgetreue Kopie hergestellt wird. Diese Methode der „additiven Fertigung“ wird in Zukunft bei der Herstellung individualisierter Produkte oder von Kleinstmengen eine immer wichtigere Rolle spielen. Auch Anwendungen für das so genannte „Smart Home“ werden in der Offenen Werkstatt erlebbar gemacht: Sensoren steuern Licht- und Ton-Anwendungen genau da, wo sie gebraucht werden – automatisch.
Ohne offene Standards bleibt es allerdings bei blanker Theorie oder bei Abhängigkeitsverhältnissen von großen Anbietern bzw. Plattformen.
Das Entscheidende bei allen gezeigten digitalen Anwendungen ist: Sie funktionieren nur durch freie, offene Standards automatisch und herstellerübergreifend. Die Standards werden in der Regel auf globaler Ebene vereinbart. Durch den Einsatz dieser „eStandards“ vermeiden die Nutzer, sich und ihr Unternehmen langfristig und mit hohem finanziellen Aufwand an einen Anbieter zu binden. Neben erheblichen Kosteneinsparungen ergeben sich für Unternehmen ganz neue Geschäftsmodelle, z.B. im Bereich der individualisierten Produktion.
Mangelnde Standardisierung führt häufig dazu, dass die Digitalisierung gehemmt wird. Unternehmensübergreifender Datenaustausch sowie Prozessintegrationen zwischen mehreren Betrieben setzen eine durchgehende Digitalisierung der dafür relevanten Verarbeitungs- und Produktionsprozesse voraus. Ein weiterer Hemmschuh sind die Qualifizierung der Fachkräfte sowie die Themen Datensicherheit, Investitionskosten und Nachhaltigkeit (Energieeffizienz).
Das von GS1 in Köln aus gesteuerte Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum eStandards , das von Bettina Bartz geleitet wird, hat bereits 13 Projekte in Deutschland durchgeführt. Beispielhaft dafür sind die Gießerei Düker aus Nürnberg (Vgl. dazu: Digitalisierung: So verhilft die Gießerei Düker dem Kuka-Roboter zu einem Lebenslauf) und der Verpackungshersteller Maag aus dem Sauerland (Vgl. dazu: Digitalisierung, damit der Salat länger frisch bleibt).
In der Industrie 4.0 bzw. in der vernetzten Fabrik sorgen die Kommunikationsstandards OPC-UA und TSN Ethernet dafür, dass die Daten zwischen den Maschinen – herstellerunabhängig – ausgetauscht und interpretiert werden können, wie Dr. Erich Behrendt von IMK Consulting in seinem Vortag hervorhob. Relativ neu ist das Narrowband IoT bzw. das Low Power Wide Area Network. Dabei handelt es sich laut Wikipedia um ein
Netzwerkprotokoll zur Verbindung von Niedrigenergiegeräten wie batteriebetriebene Sensoren mit einem Netzwerkserver. Das Protokoll ist so ausgelegt, dass eine große Reichweite und ein niedriger Energieverbrauch der Endgeräte bei niedrigen Betriebskosten erreicht werden können.
In zehn thematisch verschiedenen Workshops hatten die Teilnehmer Gelegenheit, Beispiele aus der Praxis kennenzulernen. In meinem Fall waren das die Themen Digitale Geschäftsmodelle und Smart Building.
Im Workshop Digitale Geschäftsmodelle stellte Dr. Behrendt das Startup Screwerk aus Lüdenscheid vor (Vgl. dazu: Start-Up “Screwerk”: Einzelne Schrauben in die Welt). Das Unternehmen ist eine Kombination aus Online-Shop und Hochleistungs-IT. Im Hintergrund sorgt eine Graphendatenbank dafür, dass Angebot und Nachfrage schnell zusammen kommen. Das Unternehmen hat sich auf Schrauben sog. C-Waren bzw. Mindermengen spezialisiert, deren Versand für die großen Hersteller und Lieferanten nicht wirtschaftlich genug ist. Inzwischen ist Screwerk selbst in die Produktion von Schrauben eingestiegen. Das Geschäftsmodell Online Shop + Hochleistungs-IT lässt sich auch auf andere C-Waren, wie Nieten, übertragen.
In dem anderen Workshop Smart Building erläuterte Prof. Dr. Harald Mundinger vom Fachbereich Gebäudesystemtechnologie der FH Südwestfalen, Standort Lüdenscheid, weshalb Standards nicht per se von Vorteil sind. Allein im Bereich Smart Building konkurrieren 30-40 Standards, die miteinander nicht oder kaum kompatibel sind, um die Gunst der Ingenieure und Bauherren. Hinzu kommt, dass sich mit Amazon Alexa ein de-facto-Standard im Smart Building und Smart Home etabliert. Um den Wildwuchs einzudämmen und die Dominanz einiger weniger oder gar eines Unternehmens zu verhindern, sind offene, untereinander kompatible Standards nötig.
Crosspost von Westfalenlob