Die EUDI-Wallet verspricht nicht weniger als die digitale Neuvermessung des europäischen Alltags. Doch hinter der technischen Vision verbirgt sich eine unbequeme Wahrheit: Der Erfolg hängt nicht von besserer Kommunikation ab, sondern von Registern, die nicht existieren, Gesetzen, die nicht angepasst sind, und einem föderalen System, das strukturell überfordert ist. Deutschland steht nicht vor einem IT-Projekt – sondern vor einem Stresstest seiner Modernisierungsfähigkeit.
Das Versprechen der leeren Taschen
Es gibt Momente in der Geschichte der Digitalisierung, in denen sich das Mögliche und das Notwendige auf geradezu programmatische Weise begegnen. Die Einführung der European Digital Identity Wallet – kurz EUDI-Wallet – ist ein solcher Moment. Bis Ende 2026 soll sie in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union verfügbar sein: eine digitale Brieftasche, die Personalausweis und Führerschein, Versicherungskarte und Meldebescheinigung, Studierendennachweis und Sorgerechtsbestätigung in sich vereint. Ein Instrument, das nicht nur Papier ersetzt, sondern Verwaltungslogik neu schreibt.
Die Vision ist bestechend. Wer heute einen Wohngeldantrag stellt, einen Führerschein vorzeigt oder sich in einer Arztpraxis anmeldet, bewegt sich durch ein Labyrinth aus Formularen, Kopien und Beglaubigungen. Die EUDI-Wallet verspricht, diesen bürokratischen Parcours zu einem einzigen Klick zu verdichten – sicher, datenschutzkonform, europaweit anerkannt. Doch zwischen Versprechen und Verwirklichung liegt ein Terrain, das weit schwieriger zu navigieren ist als jede Benutzeroberfläche: die deutsche Verwaltungswirklichkeit.
Das Ökosystem des Vertrauens
Die EUDI-Wallet ist kein Produkt. Sie ist ein Ökosystem. Ihre Funktionsweise beruht auf einem dreistufigen Vertrauensprinzip: Aussteller von Nachweisen (Issuer) bescheinigen Attribute – etwa die Gültigkeit eines Führerscheins oder den Status einer Studierendenschaft. Diese Nachweise werden in der persönlichen Wallet des Nutzers (Holder) gespeichert. Prüfende Stellen (Verifier) – ob Polizei, Arbeitgeber oder Kinobetreiber – können diese Nachweise digital verifizieren, ohne auf zentrale Datenbanken zugreifen zu müssen.
Das Elegante daran: Die Kontrolle bleibt beim Bürger. Daten werden nicht zentral vorgehalten, sondern nur bei Bedarf und nur in dem Umfang freigegeben, der für den jeweiligen Nachweis erforderlich ist. Wer im Kino einen Studierendenstatus nachweisen will, gibt eben nur diesen Status frei – nicht Name, nicht Geburtsdatum, nicht Matrikelnummer. Datensparsamkeit wird nicht mehr gepredigt, sondern architektonisch erzwungen.
Doch diese dez…
