Von Ralf Keuper
Die Frage, ob der Eigentumsbegriff auch auf Daten übertragen werden kann, wird seit einiger Zeit kontrovers diskutiert (Vgl. dazu: Kein Eigentumsrecht an Daten?).
Nun schaltet sich auch die Stiftung Neue Verantwortung mit ihrem Paper Dateneigentum – Eine gute Idee für die Datenökonomie? in die Debatte ein. Die Autorin, Dr. Nicola Jentzsch, hält ein Dateneigentum aus mehreren Gründen für kontraproduktiv.
Auf den Punkt gebracht:
Juristisch gesehen entstehen Daten und Informationen in sozialen Relationen und lassen sich gerade nicht einer Partei zuordnen.
Die Empfehlung:
Statt sich auf Dateneigentum zu fokussieren, sollte die Politik andere Ansätze verfolgen und fördern, insbesondere technische Ansätze für Datenschutz und -kontrolle. Hierzu gehört unter anderem die Forschung im Bereich der Visualisierung von Datenverarbeitungsvorgängen für Verbraucher und Aufsichtsbehörden und die Förderung von Projekten zu kryptographischen Herkunftsnachweisen von Daten.
Weshalb die Visualisierung von Datenverarbeitungsvorgängen und kryptografische Herkunftsnachweise bessere Wege sein sollen, wird nicht weiter ausgeführt. Was hat der Verbraucher davon genau zu wissen, was mit seinen Daten geschieht, wenn er über keine Sanktionsmöglichkeiten verfügt; ihm nicht nur das Eigentum an seinen Daten, sondern auch die Souveränität darüber abgesprochen wird – was bleibt dann überhaupt noch an Einflussmöglichkeiten? An welcher Stelle werden die Interessen der Verbraucher und Unternehmen, die Verwendung ihrer Daten betreffend, gebündelt und geltend gemacht? Was ist mit “kryptographischen Herkunftsnachweisen von Daten” gemeint?
In der Summe wirken die Empfehlungen recht vage.
In der wirtschaftlichen Praxis werden die personenbezogenen Daten von Unternehmen wie Google und facebook schon längst als Währungsersatz sowie als Vermögensgegenstand behandelt (Vgl. dazu: The economic value of personal data for online platforms, firms and consumers & Personal Data: The Emergence of a New Asset Class).
Eine andere Frage ist, ob man Daten als Arbeit interpretieren sollte, wie Jaron Lanier et al. in Should We Treat Data as Labor? Moving Beyond “Free”
DaC (Data as Capital) treats data as natural exhaust from consumption to be collected by firms, while DaL (Data as Labor) treats them as user possessions that should primarily benefit their owners. DaC channels pay- offs from data to AI companies and platforms to encourage entrepreneurship and innovation, while DaL channels them to individual users to encourage increased quality and quantity of data. .. DaC encourages workers to find dignity in leisure or in human interactions outside the digital economy, while DaL views data work as a new source of “digital dignity”. DaC sees the online social contract as free services in exchange for prevalent surveillance, while DaL sees the need for large-scale institutions to check the ability of data platforms to exploit monopsony power over data providers and ensure a fair and vibrant market for data labor.
Die Frage nach dem Dateneigentum bzw. der Souveränität stellt sich mittlerweile auch für die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Staaten, wie aus The end of data without borders hervorgeht.
In Data is the new lifeblood of capitalism – don’t hand corporate America control heisst es in dem Zusammenhang:
But the stakes are even higher. The emphasis on personal data has obscured the fact that data is not just personal – it’s commercial, industrial, financial. The reason that corporations are so concerned about who controls the packets that flow through the world’s fiber-optic cables is because a vast array of profit-making activities now depends on them.
The global circulation of data, then, is really about the global circulation of capital. And it has enormous consequences for the global organization of wealth and work.
Sollen weiterhin die großen Internetkonzerne Daten wie ihr Eigentum behandeln dürfen und damit – zumindest indirekt – die Frage nach dem Dateneigentum beantworten – nämlich positiv? Das wäre ein exklusiver Eigentumsbegriff.
Dass Daten in sozialen Interaktionen entstehen, bedeutet nicht, dass sie sich deshalb keiner Partei zuordnen lassen. Sie lassen sich sehr wohl Parteien zuordnen, nur nicht einer alleine. Die Frage ist, wer hat welchen Anteil an der Wertschöpfung und wie wird dieser Einsatz entlohnt? Das ist Ökonomie – in diesem Fall: Datenökonomie.