Von Ralf Keuper

Ohne die Einigung auf Maßeinheiten wäre der globale Austausch von Gütern und Dienstleistungen nur unter hohen Kosten und großem Aufwand möglich; er würde zu Abstimmungsproblemen und Rechtsstreitigkeiten führen, die ein Geschäft schnell unattraktiv machen. Das gilt auch für das Inland. So betrachtet ist die Metrologie, die Wissenschaft des Messens, die stille Herrscherin der globalen Ökonomie. 

Die zunehmende Digitalisierung, d.h. die Vernetzung von Mensch und Maschine mittels Datenübertragung in Echtzeit, stellt die Metrologie vor neue Herausforderungen. In Deutschland ist die Physikalisch Technische Bundesanstalt (PTB) in Braunschweig die oberste Instanz bei allen Fragen des Messens. Neben dem  NIST in den USA und dem NPL in Großbritannien zählt die PTB laut Wikipedia zu den führenden Instituten der Metrologie.

In Metrologie für die Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft hat die PTB ihre Digitalisierungsstrategie beschrieben. Warum sich die PTB dazu veranlasst sah, geht aus den folgenden Zeilen hervor:

Messwerte, Daten, Algorithmen, mathematische und statistische Verfahren sowie Kommunikations- und Sicherheitsarchitekturen bilden die Grundlage der digitalen Erweiterung und Transformation. Somit ist die digitale Ertüchtigung der Qualitätsinfrastruktur (QI) – dem Dreiklang aus Metrologie, Normung und Akkreditierung – sowie des gesetzlichen Messwesens mit Konformitätsbewertung, Eichwesen und Marktüberwachung zentrale Voraussetzung für das Gelingen der digitalen Transformation zu einer vernetzten Wirtschaft, Industrie und Gesellschaft. Der Physikalisch-Tech- nischen Bundesanstalt (PTB) als dem nationalen Metrologieinstitut obliegt dabei eine Schlüssel- rolle mit vielfältigen Zuständigkeiten und Kompetenzen.

Weiter:

Die PTB ist somit ein Eckpfeiler der nationalen Qualitätsinfrastruktur und des gesetzlichen Messwesens und hat sich zum Ziel gesetzt, für Industrie und Gesellschaft als verlässlicher Partner in der digitalen Transformation zu agieren. Im Mittelpunkt stehen dabei insbesondere die von der PTB im gesetzlich geregelten Bereich und der QI angebotenen metrologischen Dienstleistungen sowie die häufig mittelständisch organisierte deut- sche Sensor- und Messgeräteindustrie.

Angesichts der mit der fortschreitenden Digitalisierung einher gehenden Dynamik in der Wirtschaft, beabsichtigt die PTB die Schlagzahl zu erhöhen, um dadurch Alleingängen großer Unternehmen oder von Branchen vorzubeugen:

Allgemein ist die Tendenz zu beobachten, dass Firmen eher auf Kollaboration mit anderen Industriepartnern für die Entwicklung bilateraler Vereinbarungen setzen, als auf klassische Wege der Normung und Standardisierung. Als ein Grund dafür wird die Notwendigkeit des schnellen Handelns angeführt, welche sich aus dem internationalen Marktdruck ergibt. So empfiehlt die VDMA-Studie, dass Unternehmen nicht auf die Entwicklung umfassender Standards warten, sondern stattdessen zügig selbst erste Lösungen anbieten sollten. Dieser Entwicklung gilt es mit schnellen, konzentrierten, handhabbaren und flexiblen Standardisierungsvorhaben entgegenzutreten.

Hierfür halt die PTB neben der Definition von Referenzarchitekturen auch die Errichtung

cloud-basierter Angebote mit einer zentralen Instanz als vertrauenswürdigem Kern für die digitale Transformation der Prozesse im gesetzlichen Messwesen unbedingt notwendig.

Als Beispiel nennt die PTB die Modellierung und den virtuellen Messprozess beim Digitalen Zwilling.

Zentraler Baustein der Digitalisierungsstrategie der PTB ist die European Metrology Cloud.

Ihr Fundament bildet eine vertrauenswürdige Hauptmetrologieplatform in jedem Mitgliedsstaat, die dafür gedacht ist gesetzliche Verfahren durch das Anknüpfen an bestehende Infrastrukturen und Datenbanken zu unterstützen und zu vereinfachen und um eine zentrale Anlaufstelle für alle Interessenten bereitzustellen. Innerhalb dieser Qualitätsinfrastruktur, werden Referenzarchitekturen, wie z.B. innovative Messinstrument sowie auch technologisch und datengetriebene digitale Dienstleistungen des gesetzlichen Messwesens entwickelt.

Mit der European Metrology Cloud soll die Bildung des Digitalen Binnenmarkts in Europa unterstützt werden.

Die Metrologie sei überdies ein Mittel, um die Martkdominanz der großen Plattform-Unternehmen aus den USA und Asien zu begrenzen.

Die Beherrschung von Schlüsselkompetenzen in den Bereichen der Kalibrierung, IT- Sicherheit, Messtechnik und Datenanalyse ist .. die Grundlage für eine bedarfsorientierte Standardisierung. .. In den Expertendiskussionen an der PTB wurde ebenso mehrfach vor einem sogenannten „Plattformkapitalismus“ gewarnt, der durch die Marktdominanz einzelner Unternehmen entstehen kann und der nicht zuletzt KMU ganz wesentlich bedroht. Dem kann nur mit einer flexiblen und verlässlichen Normensetzung und Standardisierung begegnet werden. Dies ist insbesondere in einer globalisierten Wirtschaft von großer Bedeutung, um die Handlungsmög- lichkeiten deutscher und europäischer Unternehmen nicht durch andere globale Wettbewerber begrenzen zu lassen.

Bevor also Unternehmen wie Apple, Amazon, Google und Alibaba de facto-Standards schaffen, an denen kaum noch ein Weg vorbeiführt, sollten die Mittel, welche die Metrologie zur Verfügung stellt, ausgiebig genutzt werden – vor allem auf europäischer Ebene.

Im Internet der Dinge bzw. der Industrie 4.0 ist die Kalibrierung digitaler Zwillinge besonders wichtig:

Der „digitale Zwilling“ des Sensors wird damit automatisch aus dem digitalen Kalibrierschein generiert. Für die Entwicklung, Etablierung und breite Anwendung von digitalen Kalibrierscheinen ist es notwendig, Festlegungen über Struktur, Inhalt, erlaubte Maßeinheiten, Schnittstellen, Validität und Sicherheit der Daten- kommunikation und digitale Siegel und Signaturen zu treffen. Dabei spielen Authentizität und kryp- tografische Sicherung, beispielsweise mittels eines digitalen Signaturmanagements, eine entschei- dende Rolle.

Daraus wird deutlich, dass die Metrologie im Hintergrund dafür sorgen kann, dass Daten und andere digitale Vermögenswerte auf Basis international anerkannter Standards ausgetauscht werden können. In der Datenökonomie ist das ein entscheidendes Erfolgskriterium – jedenfalls für die deutsche und europäische Industrie, die bislang über keine großen digitalen Plattformen wie in den USA und China verfügt und damit Gefahr läuft, die Kundenschnittstelle, nachdem sie im B2C-Geschäft bereits verloren  ging, auch in dem B2B bzw. B2B2C-Geschäft einzubüßen. Eine nicht unbegründete Sorge:

The industrial IoT domain summarizes everything what is outside the classical consumer domain with a strong emphasis on B2B business. In general, there is a convergence of consumer and industrial internet. We see signs of “consumerization”, for instance, in the home market through the appearance of voice control appliances like Amazon’s Alexa or Apples Homepad. Also, it is typically the case in the automotive industry in which consumer and industrial platforms are merging the concept of connected and automated driving (in: Cognitive Hyperconnected Digital Transformation. Internet of Things Intelligence Evolution)


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