Von Ralf Keuper
Ohne die Einigung auf Maßeinheiten wäre der globale Austausch von Gütern und Dienstleistungen nur unter hohen Kosten und großem Aufwand möglich; er würde zu Abstimmungsproblemen und Rechtsstreitigkeiten führen, die ein Geschäft schnell unattraktiv machen. Das gilt auch für das Inland. So betrachtet ist die Metrologie, die Wissenschaft des Messens, die stille Herrscherin der globalen Ökonomie. Vor der Verwirklichung unseres heutigen internationalen Einheitssystems im Jahr 1960 lag ein langer Weg, der sich über Jahrhunderte hinzog, wie Felix Martin in Geld, die wahre Geschichtehervorhebt:
Die Schaffung des Internationalen Einheitensystems war daher die sichtbare und materielle Manifestation einer tiefgreifenden, aber unsichtbaren Wandlung in der Geschichte der menschlichen Ideen. Dieser Prozess dauerte Jahrhundert – vermutlich sogar Jahrtausende.
Mittlerweile wurde das Internationale Einheitensystem an die gesellschaftliche und ökonomische Entwicklung angepasst, wie beim Urkilo. Es wird künftig durch eine Naturkonstante, das Plancksche Wirkungsquantum, ersetzt. Daneben wurden vier weitere SI-Einheiten neu definiert (Vgl. dazu: Revolution der Metrologie). Kurzum: Die Welt des Messens wird (noch) abstrakter.
Die zunehmende Digitalisierung, d.h. die Vernetzung von Mensch und Maschine mittels Datenübertragung in Echtzeit, ruft daher auch die Metrologie auf den Plan. In Deutschland ist die Physikalisch Technische Bundesanstalt (PTB) in Braunschweig die oberste Instanz bei allen Fragen des Messens. Neben dem NIST in den USA und dem NPLin Großbritannien zählt die PTB laut Wikipedia zu den führenden Instituten der Metrologie.
In Metrologie für die Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft hat die PTB ihre Digitalisierungsstrategie beschrieben. Warum sich die PTB dazu veranlasst sah, geht aus den folgenden Zeilen hervor:
Messwerte, Daten, Algorithmen, mathematische und statistische Verfahren sowie Kommunikations- und Sicherheitsarchitekturen bilden die Grundlage der digitalen Erweiterung und Transformation. Somit ist die digitale Ertüchtigung der Qualitätsinfrastruktur (QI) – dem Dreiklang aus Metrologie, Normung und Akkreditierung – sowie des gesetzlichen Messwesens mit Konformitätsbewertung, Eichwesen und Marktüberwachung zentrale Voraussetzung für das Gelingen der digitalen Transformation zu einer vernetzten Wirtschaft, Industrie und Gesellschaft. Der Physikalisch-Tech- nischen Bundesanstalt (PTB) als dem nationalen Metrologieinstitut obliegt dabei eine Schlüssel- rolle mit vielfältigen Zuständigkeiten und Kompetenzen.
Zentraler Baustein der Digitalisierungsstrategie der PTB ist die European Metrology Cloud.
Ihr Fundament bildet eine vertrauenswürdige Hauptmetrologieplatform in jedem Mitgliedsstaat, die dafür gedacht ist gesetzliche Verfahren durch das Anknüpfen an bestehende Infrastrukturen und Datenbanken zu unterstützen und zu vereinfachen und um eine zentrale Anlaufstelle für alle Interessenten bereitzustellen. Innerhalb dieser Qualitätsinfrastruktur, werden Referenzarchitekturen, wie z.B. innovative Messinstrument sowie auch technologisch und datengetriebene digitale Dienstleistungen des gesetzlichen Messwesens entwickelt.
Mit der European Metrology Cloud soll die Bildung des Digitalen Binnenmarkts in Europa unterstützt werden.
Die Metrologie sei überdies ein Mittel, um die Martkdominanz der großen Plattform-Unternehmen aus den USA und Asien zu begrenzen.
Die Beherrschung von Schlüsselkompetenzen in den Bereichen der Kalibrierung, IT- Sicherheit, Messtechnik und Datenanalyse ist .. die Grundlage für eine bedarfsorientierte Standardisierung. .. In den Expertendiskussionen an der PTB wurde ebenso mehrfach vor einem sogenannten „Plattformkapitalismus“ gewarnt, der durch die Marktdominanz einzelner Unternehmen entstehen kann und der nicht zuletzt KMU ganz wesentlich bedroht. Dem kann nur mit einer flexiblen und verlässlichen Normensetzung und Standardisierung begegnet werden. Dies ist insbesondere in einer globalisierten Wirtschaft von großer Bedeutung, um die Handlungsmög- lichkeiten deutscher und europäischer Unternehmen nicht durch andere globale Wettbewerber begrenzen zu lassen.
Auf die Bedeutung von Standards für das Banking wurde auf diesem Blog häufiger hingewiesen (Vgl. dazu: Technologie- und Industriestandards beschleunigen die “Bankendämmerung” #1).
Wie die anhaltende Diskussion um die Ethik von Algorithmen und Daten zeigt, und nicht zu vergessen die mittlerweile zahllosen Fälle von Datenmissbrauch und Identitätsdiebstahl, besteht die größte Gefahr der Digitalökonomie darin, dass die Verbraucher das Vertrauen in die Gültigkeit der Aussagen/Bewertungen im Netz sowie in die Authentizität ihrer Geschäftspartner verlieren. In der Industrie wird die Frage immer kritischer, wie sich die Echtheit von Produkten und Patenten beweisen lässt. Die erwähnte European Metrology Cloud ist daher von großer strategischer Bedeutung für die europäische Wirtschaft. Auch künftig werden Instanzen benötigt, die in der Lage sind, das nötigen Vertrauen in die Transaktionen und die beteiligten Akteure herzustellen und zu sichern (z.B. verifizierte Digitale Identitäten für Personen, Sichere Digitale Identitäten für Maschinen, Maschinenzertifikate, Algorithmic Angels, Datengenossenschaften, Identity Banks). Eine Rolle, die von Banken oder bankähnlichen Institutionen übernommen werden kann – im Zusammenspiel mit weiteren Instanzen, wie der PTB. Auf diese Weise entsteht ein neuer Wirtschafts- und damit auch Bankstil. Die Banken bzw. ihre Nachfolgeinstitutionen sollten daher (pro-)aktiv an der Entwicklung entsprechender Standards mitwirken.
Crosspost von Bankstil