Von Ralf Keuper

Für aussagekräftige Simulationen und Analysen sind heutzutage große Mengen an Daten und entsprechende Werkzeuge nötig. Die meisten mittelständischen Maschinenbauer verfügen weder über die nötige Datenmenge noch über die personellen Kapazitäten, um einen echten Mehrwert aus ihren Produktionsdaten ziehen zu können. Insofern bietet es sich an, die eigenen Daten in einen Datenpool zu geben, der auch von anderen Unternehmen gespeist wird. Noch besser ist es, wenn KI-Startups und Wissenschaftler auf Basis der Daten Algorithmen entwickeln, die zu Ergebnissen und Einsichten führen, auf die man in den Unternehmen so nicht gekommen wäre.

Diese Vision in die Tat umzusetzen, ist das Ziel des KI-Reallabors Industrie 4.0 für die Automation und Produktion.

KI-Reallabor für die Automation und Produktion in Lemgo

Das KI-Reallabor stellt Maschinenbauern ein Datenportal zur Verfügung, mit dessen Hilfe sie auf reale Produktionsdaten aus ihren eigenen Systemen sowie auf Daten ausgewählter, interessierter Kunden und weiterer Hersteller zurückgreifen können. Die Maschinenbauer bekommen darüber hinaus den Zugang zu KI- Startups und

Dr. Alexander Maier

Wissenschaftlern. Vom Prinzip her ähnlich wie Kaggle, können die Unternehmen, so Dr. Alexander Maier vom Fraunhofer IOSB-INA in Lemgo (Foto), über einen digitalen Marktplatz (KI Arena) oder im Rahmen eines Hackathons die Community auffordern, für bestimmte betriebliche Fragestellungen Algorithmen zu entwickeln. Im Idealfall kann der Maschinenbauer sein Serviceangebot wie auch sein Geschäftsfeld erweitern. Die Produktionsdaten können entweder in anonymisierter oder pseudonymisierter Form eingespielt werden. Auf jeden Fall werden keine Daten mit Kundenbezug verwendet; spezifische Eigenschaften der Daten werden verdeckt.

Collaborative Condition Monitoring – Wertschöpfung mit Daten

Das neue KI Reallabor mit Nissrin Arbesun Perez (Geschäftsstelle SmartFactoryOWL), Dr. Alexander Maier (Gruppenleiter Maschinelles Lernen), Dr. Oliver Niehörster (Abteilungsleiter Maschinelle Intelligenz), Prof. Dr.-Ing. Jürgen Jasperneite (Leiter Fraunhofer IOSB-INA) (vlnr) © Fraunhofer IOSB-INA

Ein wichtiger Anwendungsfall für den Einsatz KI-basierter Verfahren in der Produktion ist das Collaborative Condition Monitoring. Auf einer Datenbasis, die sich aus den Daten mehrerer Hersteller und Betreiber zusammensetzt, können wiederkehrende Muster beim Verhalten einzelner Komponenten erkannt werden. Daraus können dann u.a. Prognosen zum Verschleiß einer Maschine abgeleitet werden. Der Mehrwert aus den Daten entsteht, wenn durch die Korrelationen zwischen den Daten Zusammenhänge sichtbar werden, die ein Hersteller oder Betreiber allein auf Grundlage seiner Daten nicht hätte erkennen können. Die Hersteller profitieren auch davon, dass ihnen angereicherte Daten zum Betriebsverhalten ihrer Geräte zurückgespielt werden, wie Temperatur- oder Umfelddaten.

Faire Verteilung der Datenwertschöpfung 

Die Maschinenbauunternehmen sind es in der Regel nicht gewöhnt, ihre Daten untereinander oder mit Kunden und Startups zu teilen. Erst langsam greift die Erkenntnis um sich, dass der unternehmensübergreifende Datenaustausch in der heutigen Zeit die Basis für Wertschöpfungsprozesse ist[1]Datenaustausch als wesentlicher Bestandteil der Digitalisierung. Wichtige Voraussetzung ist dabei die Schaffung bzw. die Stärkung der Kooperationsfähigkeit (technische Voraussetzungen, personelle Voraussetzungen, organisatorische Voraussetzungen) und der Kooperationsbereitschaft (allgemeine Kooperationsbereitschaft, Eigenschaften der Kooperationspartner, potenzielle Kooperationshindernisse) in den beteiligten Unternehmen.

Zu klären ist, so Dr. Alexander Maier, ferner die Frage, wie der generierte Profit fair unter den am Wertschöpfungsnetzwerk Beteiligten verteilt wird. Die rechtlichen Rahmenbedingungen müssen erst noch geschaffen werden. Anhaltspunkte liefern der Leitfaden Wertschöpfung aus Maschinendaten 4.0 und der Leitfaden Datennutzung
Orientierungshilfe zur Vertragsgestaltung für den Mittelstand.

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