Digitale Plattformen sind elementarer Bestandteil von Wirtschaft, Medien, Politik und Gesellschaft. Sie haben sich zu komplexen Ökosystemen entwickelt und können Märkte in neuer Form beflügeln, gefährden oder völlig neue Märkte schaffen. Allerdings scheinen Deutschland und Europa angesichts starker US-Plattformen und asiatischer Unternehmen die “digitale Anschlussfähigkeit” an globale Entwicklungen verloren zu haben. Mit steigender Bedeutung digitaler Plattformen und ihrem wachsenden Einfluss auf die Fähigkeit von Staat, Unternehmen und Gesellschaft kommunizieren zu können, Geschäfte miteinander abzuwickeln und im weitesten Sinne innovativ zu sein, steigt einerseits die Notwendigkeit zur Sicherung der Digitalen Souveränität der Plattformnutzer (i.d.R. Individuen, staatliche Stellen, Unternehmen). Andererseits ist die grundsätzliche Fähigkeit, digitale Plattformen selbst zu entwickeln und zu betreiben, ebenso Ausdruck digitaler Souveränität. Ohne sie verliert Europa in vielen Feldern der digitalen Transformation die Möglichkeit, Datenströme und Wertschöpfungspotentiale zu steuern, was mit fundamentalen Folgen für Wertschöpfung und Prosperität einherzugehen droht. Auch demokratische Werte und die Stabilität unseres politischen
Systems sind angesichts der sich stark verändernden und teils fast unberechenbaren geopolitischen Verschiebungen potentiell in Gefahr, wenn für Kommunikation, Waren- oder Informationsaustausch ausschließlich Plattformen genutzt werden, die in Europa nicht kontrolliert werden können.Allerdings besteht die Chance für Deutschland und Europa darin, proaktiv zu bestimmen, in welchen gesellschaftlichen, wissenschaftlichen und/oder wirtschaftlichen Bereichen plattformbasierte Ökosysteme technisch entwickelt und betrieben werden sollen bzw. sogar müssen. Insbesondere für diese Bereiche gilt es Marktbedingungen zu schaffen, welche die digitale Souveränität des Einzelnen, von Unternehmen und Forschungseinrichtungen sowie des Staates in den Mittelpunkt stellen und schützen. Diese Marktbedingungen müssen in der humanistischen und föderalen Tradition Europas stehen und die digitale Selbstbestimmtheit als Grundpfeiler verankern. Sie müssen verteilte und von zentralen Instanzen unabhängige Datenhaltung und die freie Nutzung selbst generierter Daten fördern. Dadurch senken sie Markteintrittsbarrieren, sichern Innovationspotentiale und mildern die bei digitalen Plattformen verbreitete „Winner-takes-it-all“-Effekte. Sie bevorzugen eher mittelständisch geprägte, von Wettbewerb und Innovation bestimmte Wirtschaftssysteme, ohne dass sie die großen, mit Plattformen verbundenen Chancen – in Bezug etwa auf Wachstum und Schaffung neuer Märkte und Technologien – einschränken. …
Quelle / Link: Digitale Souveränität im Kontext plattformbasierter Ökosysteme