Ein weiteres Pilotprojekt für digitale Identitäten startet in der Luftfahrt. Lufthansa und der Technologieanbieter Amadeus wollen in der zweiten Jahreshälfte 2025 die EU Digital Identity Wallet (EUDI Wallet) an 16 europäischen Flughäfen testen. Die Initiative ist Teil des eIDAS 2.0-Rahmens der EU, der einheitliche Standards für elektronische Identifizierung schaffen soll.


Bekannte Versprechen, ungewisse Umsetzung

Die Ziele sind nicht neu: weniger Warteschlangen, weniger Papierkram, mehr Sicherheit. Reisende sollen ihre Identität über eine App auf dem Smartphone verifizieren können, statt physische Dokumente vorzuzeigen. Das System soll biometrische Registrierung, Einwanderungsprozesse, Flughafensicherheit und Grenzkontrollen abdecken[1]Lufthansa and Amadeus to Test EU Digital Identity Wallet for Air Travel in 2025.

Ähnliche Versprechen gab es bereits bei anderen digitalen Identitätsprojekten. Die Realität zeigt oft ein anderes Bild: technische Probleme, langsame Akzeptanz, Sicherheitslücken oder schlicht die Tatsache, dass analoge Backup-Systeme parallel weiterlaufen müssen. British Airways hat zwar bereits ein mobiles biometrisches System getestet, doch der Sprung von Einzellösungen zu einem EU-weiten Standard ist erheblich komplexer.

Fragmentierte Landschaft

Die EU steht vor einem Grundproblem: 27 Mitgliedsstaaten mit unterschiedlichen Verwaltungsstrukturen, IT-Systemen und Sicherheitsanforderungen sollen ein einheitliches System nutzen. Deutschland hat angekündigt, eine eigene EUDI Wallet zu entwickeln – was bereits zeigt, wie fragmentiert der Ansatz ist. Jedes Land wird vermutlich eigene Anpassungen und Sonderregelungen einfordern.

Die Luftfahrtbranche hat zudem ihre eigenen Herausforderungen. Flughäfen arbeiten mit verschiedenen Airlines, Sicherheitsfirmen und Behörden zusammen. Die Systeme müssen nicht nur technisch kompatibel sein, sondern auch rechtlich den unterschiedlichen nationalen Bestimmungen entsprechen.

Datenschutz vs. Effizienz

Ein zentraler Konflikt liegt zwischen Datenschutzanforderungen und der gewünschten Effizienz. Die EUDI Wallet soll EU-Datenschutzbestimmungen erfüllen, gleichzeitig aber biometrische Daten verarbeiten und diese zwischen verschiedenen Systemen und Ländern austauschen.

Biometrische Daten gelten als besonders schützenswert, ihre Verarbeitung ist rechtlich streng geregelt. Gleichzeitig sind sie aber notwendig für die angestrebte nahtlose Identifizierung. Wie dieser Spagat gelingen soll, bleibt eine offene Frage – besonders angesichts der unterschiedlichen Auslegung von Datenschutzbestimmungen in verschiedenen EU-Ländern.

Technische Hürden

Die EUDI Wallet baut auf FIDO-Authentifizierungsstandards und den Digital Travel Credentials (DTCs) der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation auf. Das klingt nach soliden technischen Grundlagen, aber Standards sind nur so gut wie ihre Implementierung.

Smartphones müssen kompatibel sein, Flughafensysteme müssen aufgerüstet werden, Grenzkontrollen brauchen neue Geräte. Die Kosten für diese Infrastruktur sind erheblich, und die Frage ist, wer sie trägt. Außerdem müssen Backup-Systeme für den Fall von technischen Ausfällen oder nicht-kompatiblen Geräten bereitgehalten werden.

Akzeptanz und Alternativen

Auch wenn die Technologie funktioniert, ist die Akzeptanz nicht garantiert. Viele Menschen sind skeptisch gegenüber digitalen Identitätssystemen, insbesondere wenn sie biometrische Daten preisgeben müssen. Ältere Reisende könnten sich schwertun mit der neuen Technologie.

Parallel laufen andere Initiativen wie das IATA ONE Order-Programm, das die Vertriebssysteme der Airlines modernisieren soll. Es ist unklar, wie sich diese verschiedenen Digitalisierungsbestrebungen ergänzen oder möglicherweise behindern.

Ein Test unter vielen

Das Pilotprojekt von Lufthansa und Amadeus ist letztendlich ein Test unter vielen. Andere Regionen wie Oman haben bereits mobile digitale IDs eingeführt, aber die Übertragbarkeit auf die komplexe europäische Struktur ist fraglich.

16 Flughäfen sind ein überschaubarer Rahmen für einen Test, aber noch weit entfernt von einer flächendeckenden Lösung. Ob aus dem Pilotprojekt tatsächlich ein funktionierendes System für ganz Europa wird, hängt von vielen Faktoren ab: technischer Zuverlässigkeit, rechtlicher Harmonisierung, politischem Willen und nicht zuletzt der Bereitschaft der Reisenden, ihre gewohnten Abläufe zu ändern.

Die Luftfahrtindustrie hat durchaus Erfahrung mit der Einführung neuer Technologien, aber auch mit deren Scheitern. Die EUDI Wallet könnte ein wichtiger Schritt zur Digitalisierung des europäischen Reiseverkehrs werden – oder ein weiteres Beispiel dafür, dass gut gemeinte EU-Projekte an der Realität der Umsetzung scheitern.