Nur jeder fünfte Deutsche nutzt die elektronische Ausweisfunktion seines Personalausweises – obwohl sie seit über einem Jahrzehnt verfügbar ist. Eine aktuelle Umfrage zeigt deutliche Unterschiede zwischen den Bevölkerungsgruppen und offenbart die Schwächen der deutschen Digitalisierungsstrategie. Warum bleibt die eID hinter den Erwartungen zurück und was muss sich ändern?
Die elektronische Ausweisfunktion (eID) des deutschen Personalausweises soll Bürgern eine sichere Teilnahme am digitalen Geschäfts- und Verwaltungsverkehr ermöglichen. Doch eine Umfrage vom Oktober 2024 offenbart ein gemischtes Bild: Während 35 Prozent der erwachsenen Bevölkerung die eID bereits aktiviert haben, kennen sechs Prozent diese Funktion überhaupt nicht, wie Michael E. Rose, Jörg Hoffmann, Dietmar Harhoff in Wer hat die elektronische Ausweisfunktion aktiviert? feststellen.
Die Nutzungsbereitschaft variiert deutlich zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen. Männer, unter 65-Jährige, Stadtbewohner, Personen mit Migrationshintergrund, Haushalte mit Kindern, Abiturienten und Berliner zeigen eine höhere Aktivierungswahrscheinlichkeit. Dagegen nutzen Frauen, ältere Menschen und Personen mit geringerem Bildungsstand die eID deutlich seltener.
Seit 2010 ist die eID-Funktion standardmäßig in allen deutschen Personalausweisen enthalten. Ursprünglich musste sie bis 2017 manuell aktiviert werden, seither erfolgt die Aktivierung automatisch. Die Freischaltung gestaltete sich jedoch zunehmend komplizierter: Zunächst erhielten Bürger eine Transport-PIN per Post, doch dieser Service wurde 2023 eingestellt, nachdem nur 60 Prozent der versendeten Briefe tatsächlich genutzt wurden. Heute ist eine persönliche Vorsprache erforderlich, was viele als umständlich empfinden.
Trotz der technischen Möglichkeiten bleibt die praktische Nutzung weit hinter den politischen Erwartungen zurück. Lediglich 22 Prozent der Personalausweisinhaber haben die eID bisher verwendet. Die Zurückhaltung hat verschiedene Ursachen: mangelnde Benutzerfreundlichkeit, hohe Sicherheitsanforderungen, kulturelle Vorbehalte und ein begrenztes Angebot an praktischen Anwendungsfällen. Besonders in Deutschland existiert eine Gruppe sogenannter “digitaler Zweifler” – etwa 30 Prozent der Bevölkerung –, die staatlichen digitalen Technologien grundsätzlich skeptisch gegenübersteht.
Um diese Herausforderungen zu bewältigen, empfehlen die Autoren Michael E. Rose, Jörg Hoffmannund Dietmar Harhoff eine gezielte Kommunikationsstrategie, die insbesondere Frauen, ältere Menschen und Personen mit geringerem Bildungsstand anspricht. Diese Gruppen sollten aktiv in die Weiterentwicklung der eID einbezogen werden. Gleichzeitig gilt es, weitere praktische Anwendungsmöglichkeiten zu schaffen, um die Attraktivität der Technologie zu steigern und das klassische Henne-Ei-Problem zu lösen.
Die eID ist integraler Bestandteil der Digitalstrategie der Bundesregierung und dient als wichtiger Indikator im Index für die digitale Wirtschaft und Gesellschaft (DESI). Allerdings sind die Nutzungshürden in Deutschland nach wie vor höher als in anderen europäischen Ländern, was die Bedeutung gezielter Reformmaßnahmen unterstreicht.